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Sonntag, 27. Mai 2007

PEN-Club-Treffen in Glurns, Südtirol




Paul Flora wird 85 - Ehrenpräsident des PEN-Clubs Liechtenstein in seiner Heimat

Am 5. Mai trafen sich die Mitglieder des PEN-Clubs Liechtenstein in Glurns, dem Heimatort ihres Ehrenpräsidenten Paul Flora. Das Mittelalterliche Städtchen auf italienischer Seite am Fuß des Reschenpasses hat sogar eine Straße nach ihrem berühmtesten Sohn benannt: dem Zeichner Paul Flora, der am 29. Juni 85 Jahre alt wird (der Herr rechts mit Spazierstock auf dem Foto weiter unten). Der bekannte Cartoonist lebt in der Nordtiroler Hauptstadt Innsbruck, ist aber seinem Geburtsort sehr verbunden geblieben und kommt bei jeder Gelegenheit zurück nach Glurns, das vor dem Zweiten Weltkrieg zu Österreich gehörte. Die Gegend ist 1000 Jahre altes Kulturland. In jedem Dorf stehen hier mindestens eine romanische Kirche und ein paar andere Gebäude aus dem frühen Mittelalter. Kultur meint aber auch eine besondere Obstbau-Tradition. Inzwischen kommt jeder dritte Apfel aus der ganzen EU aus dem Vinschgau - einem einzigen Tal! In dem gibt es zwischen Reschenpass und Meran mindestens zwei völlig verschiedene Klimazonen von alpin bis mediterran.
In den PEN-Club, der ja eine literarische Vereinigung ist, kam der Zeichner Paul Flora als Essayist und Autor frecher Kommentare zur Kulturpolitik. Ich hatte dort jetzt meine "Antrittsvorlesung" als neues Mitglied des PEN-Clubs Liechtenstein zu halten. Liechtenstein ist ein kleines Land, aber im Dreiländereck Österreich/Deutschland/Schweiz gehört eine interessante Mischung von deutschsprachigen Schriftstellern mit mit alpinem Hintergrund dazu. Bei mir besteht der z.B. darin, dass ich meine Kindheit in Salzburg verbrachte. Ich habe daher nicht nur nie die deutsche, sondern (ebenfalls zum größten Teil vergessen) in der Schule die österreichische Nationalhymne gelernt: "Land am Strome, Land der Berge". Und seit ein paar Jahren bekommt ich bislang fremde Heimatgefühle, wenn ich im Zug oder im Auto unterwegs bin und die ersten Berge der Alpen sehe.
In Südtirol war ich schon oft - schon bei einem dreiwöchigen Seminar für angehende Hörfunkjournalisten lernte ich als Student Brixen und Umgebung besser kennen, inklusive der deutschsprachigen Tageszeitung "Die Dolomiten". Damals kämpften die Südtiroler noch mit Bombenanschlägen gegen die Abtrennung von Österreich. Heute sind sie durch EU-Privilegien und italienische Beschwichtigungspolitik so wohlhabend geworden, dass sie vielen arbeitslosen Brüdern und Schwestern aus Nordtirol ein kleines Job-Paradies bieten können.

Sehr intensiv bereit habe ich Südtirol aber auch z.B. während der Recherchen zu einer zehnteiligen Radio-Doku über das Leben des Minnesängers und Raubritters Oswald von Wolkenstein. Der stammt aus der gegen von Meran und war einige Jahre als Diplomat für König Albrecht von Ungarn beim Konstanzer Konzil tätig. Zum Heimaturlaub (gucken, ob die Bauern auch ihre Abgaben leisten), aber auch zu ausgedehnten Dienstreisen bis nach Spanien ritt er dauernd über den Reschen- und Fernpass. Mit den Habsburgern, die von Innsbruck aus damals schon über die Alpen hinweg regieren wollten, hatte er ziemlich unziemliche Raufhändel. Ich fühle mich in Südtirol also eigentlich gar nicht fremd, sondern recht europäische zu Hause.

Über Glurns und dem relativ breiten Talabschluss des Vinschgaus thront der "Potala vom Vinschgau" - das 950 Jahre alte Kloster Marienberg (die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas), und in dem kleinen Dorf unter dem Kloster steht auf dem Friedhof ein seltenes Zeugnis der Diplomatie in kriegerischen Zeiten, die an dieser Passhöhe häufig waren.

Es ist das Grab eines Mannes, der sein Dorf vor der Zerstörung rettete, in dem er als "Sprecher zum Feind" mit den durchziehenden Heerführern sprach, anstatt zu schießen. Man hat ihm ein kleines Denkmal in Form eines mannshohen Obelisken gesetzt. Im Dorf Marienberg selbst steht noch die alte Zwingburg der Bischöfe vom Vinschgau, die gern die Mönche oben am Berg tributpflichtig gemacht hätten und dabei nicht immer friedlich blieben. Doch heute leitet ein Sohn Paul Floras dort ein landwirtschaftliches Schulzentrum. Von dem weiß ich das mit dem EU-Anteil der Vinschgauer Äpfel, die aber auch wirklich gut schmecken. Im Hof dieser Burg, die ich nicht fotografiert habe, weil sie aussieht wie 1000 Burgen auch, saß Paul Flora mit einigen Kollegen in der Sonne und hatte nichts gegen ein Foto einzuwenden. Die Kollegen übrigens auch nicht, und der Obelisk auf dem Grab des Vinschgauer Friedensfreundes am allerwenigsten.
Jahrhunderte lang war die Region zwischen Schweizern, Österreichern (vor allem Habsburgern), Bayern und Italienern umkämpft. Die Festung Mantua, wo der Tiroler Nationalheld Andreas Hofer erschossen wurde - übrigens von Napoleons Truppen, die ja auch schon mal die Gegend besetzt hatten, nicht etwa von Italienern - liegt ja heute tief in Norditalien und markiert das Ende der Alpenregion. Es ist eine besonders europäische Region - nicht nur wegen ihrer Geschichte. Sie ist es auch wegen der Menschen, die hier leben und die man hier treffen kann.

Sünden gegen die Sprachehrlichkeit 5: vom Totschweigen

Apropos Frisur: Haarsträubend lang leben Totgesagte Skandale
Die halbe Wahrheit ist manchmal schlimmer als gar keine. Am 22. April waren Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt. Die CDU wurde mal wieder stärkste Partei und stellte viele Bürgermeister, meistens in Koalitionen mit anderen Parteien. Die Einzelheiten interessieren mich hier gar nicht. Aufgeschreckt hat mich die kleine Meldung, dass die Wahlbeteiligung zum Teil unter 30 Prozent lag. Ein Bürgermeister, dessen Partei unter diesen Umständen 30 Prozent der Stimmen bekommen hat, regiert also mit den Stimmen von nur 10 Prozent aller Wahlbeteiligten!
An die Macht kommen mit zehn Prozent der Stimmen: Wo das möglich ist, wackelt die Demokratie, auch wenn die Wahlverweigerer selber schuld sind an dieser Art von Entmündigung. Nicht selbst schuld sind sie aber an der Art, wie so etwas in der Öffentlichkeit dargestellt und dann auch wahrgenommen wird: Eine Partei verkündet lauthals über alle Kanäle, sie habe 30 Prozent bekommen – und in Wahrheit sind es 30 von 30! Das ist leider inzwischen ein ganz normaler Vorgang in diesem Land, aber mir wäre es lieber, wir würden das nicht normal finden. Für eine Demokratie sind Mehrheiten normal. Und 10 Prozent sind nun mal keine.
Solche unangenehmen Tatsachen werden aber gern tot geschwiegen. Es gab einige Zeitungskommentare über den historischen Tiefststand der Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt. Aber dann ging man schnell zur Tagesordnung über – zu schnell für meine Begriffe. Wer im Zeitalter der Medien öffentlich spricht, hat eine Verantwortung für das, was unter der Lupe der öffentlichen Wahrnehmung liegt. Und darum ist es wichtig, dass „große“ Themen ausdiskutiert werden. Das heißt, sie sollten nicht einfach der nächsten Sau weichen müssen, die durchs Mediendorf getrieben wird. Sie müssen auf der Tagesordnung bleiben, bis das Problem gelöst ist. Und wenn das nicht geht, weil es Probleme gibt, die man nicht einfach abhaken kann, müssen wir alle dauerhaft wachsam sein.
Das ist nicht leicht in einer Gesellschaft, wo immer der Recht bekommt, der am lautesten trommelt. Deshalb gibt es auch zum Beispiel ein Gesetz, das die Leugnung der Judenvernichtung im Dritten Reich unter Strafe stellt. Beim Thema Holocaust ist die ältere Generation der Deutschen aber auch sensibilisiert, wenn nicht gar traumatisiert. Kein Gesetz hingegen verpflichtet zur Wahrhaftigkeit im Umgang mit den Arbeitslosenzahlen.
Im Gegenteil: schon mehrfach wurden Gesetze erlassen, die es schwer machen, den wirklichen Grad der Erwerbslosigkeit zu bestimmen. Erst wurden alle Langzeitarbeitslosen aus der Statistik genommen, die älter als 55 Jahre und damit angeblich schwer vermittelbar sind. Dann hat man alle anderen Langzeitarbeitslosen mit den Empfängern von Sozialhilfe zusammen gelegt. Damit fielen auch diese Menschen aus der Statistik heraus, denn jetzt war nicht mehr feststellbar, wer Arbeit suchte und wer nicht. Drittens wurde beschlossen, diejenigen nicht als arbeitslos anzuerkennen, die nach einer Ausbildung keine Stelle fanden. Als nächstes fielen alle durchs Raster, die gerade eine Umschulung oder Fortbildung auf Staatskosten machen. Raus aus der Statistik sind auch Millionen von Menschen, die in einen teueren vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden. Ganz zu schweigen von Teilzeit- und Minijobbern, die gern voll arbeiten würden. Die Statistik zählt jede Beschäftigung und fragt nicht, sie zum Leben reicht.

Das geht schon viele Jahre so, und deshalb ist diese Liste ziemlich lang. Sie soll klar machen, was inzwischen alles unter den Tisch fällt und tot geschwiegen wird, wenn Monat für Monat die neuen Arbeitslosenzahlen aus Nürnberg kommen. Was sich hinter dem Verschwiegenen verbirgt, ist schwer zu ertragen – nicht nur für die Betroffenen, das will ich gern zugeben. Aber die verschweigen ihr Schicksal nicht. Diejenigen, die schweigen und versuchen, andere zum Schweigen zu bringen, indem die Zahlen vernebeln und Fakten verstecken, sind Politiker und Beamte. Indem sie das wahre Ausmaß der Katastrophe verschleiern, tun sie den Betroffenen ein zweites Mal Unrecht durch die Demütigung, nicht einmal mehr statistisch wahrgenommen zu werden.
Das Gesetz des Schweigens gilt nicht nur in der Mafia; wahrscheinlich hat jeder eine verschwiegene Kammer in seinem Innern. Aber nur ein Heuchler verbirgt Dinge, die alle angehen. Laufend werden Skandale totgeschwiegen: in der Wirtschaft, gegen die Umwelt, gegen die Menschlichkeit in Familien und Betrieben, gegen Frauen und Kinder, oder auch nur im Kampf um Steuersubventionen. Früher glaubten die Christen noch an einen „stummen Teufel“, der besonders gefährlich sei. Dass dagegen nur radikale Ehrlichkeit hilft, haben einige Radsportler anscheinend gerade gemerkt. Und haben ausgepackt über den größten Dopingskandal in der Geschichte des deutschen Sports, der lange tot geschwiegen wurde.

Sünden gegen die Sprachehrlichkeit 4: "Vermittlungsprobleme"

Unfrisierte Gedanken zu frisierten öffentlichen Redeweisen

Als der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den ersten wissenschaftlichen Analysen seiner Reform des Sozialsystems konfrontiert wurde, reagierte er auf die Kritik der Fachleute mit der Bemerkung, da gebe es in „Vermittlungsproblem“. Von einem Tag auf den anderen waren auf Betriebsrenten die vollen Beiträge zur Krankenversicherung aus eigener Tasche zu zahlen. Viele Leistungen der Krankenversicherungen wurden gestrichen. Die Zuzahlungen für Medikamente stiegen immer weiter. Langzeitarbeitslose bekamen wie Sozialhilfeempfänger „Hatz vier“ und fühlten sich fortan wie Bittsteller. Die Arbeitsämter nannten sich „Agenturen für Arbeit“, die aber auch nicht mehr Arbeit zu vermitteln hatten als vorher. Dafür gab das neue Gesetz den Behörden erheblich mehr Möglichkeiten als bis dahin für Zwangsmaßnahmen. Um den Missbrauch des Systems durch wenige zu unterbinden, wurden viele drangsaliert – und werden es noch heute. Das war für Gerhard Schröder aber nur ein PR-Defizit, also ein Problem der Überzeugungsarbeit.

Es folgte ein Wahlkampf und ein Regierungswechsel. Jetzt wurden „handwerkliche Fehler“ eingeräumt, und viele kluge Köpfe arbeiten seitdem an der Ausbesserung dieser Fehler. Trotzdem ist seitdem das an sich gute Wort „Reform“ gleichbedeutend mit „Verschlechterung“ geworden. Und wenn das Wort „Eigenverantwortung“ fällt, denken die Menschen leider inzwischen nicht mehr an all das Gute, das zu diesem Begriff gehört – da schwingt ja auch so etwas wie „Selbstbestimmung“ mit – sondern sie hören nur noch: „Ich soll jetzt alles selber zahlen“.

Das ist fatal – auch unter dem Gesichtspunkt von PR und Überzeugungsarbeit. Da ist etwas gründlich schief gelaufen. Der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt, Autor eines viel diskutierten Buches mit dem Titel „Bullshit“, veröffentlichte kürzlich einen Essay „Über die Wahrheit“. Da beschreibt Frankfurt Schwindler und Blender, die versuchen, mit dem, was sie sagen, die Meinungen und Einstellungen ihrer Mitmenschen zu manipulieren: „In erster Linie“, so Frankfurter, „interessiert sie daher die Frage, ob das, was sie sagen, die Wirkung hat, diese Manipulation herbeizuführen. Dementsprechend ist es ihnen mehr oder weniger gleichgültig, ob das, was sie sagen, wahr oder falsch ist.“
Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit ist für ein zivilisiertes Leben heimtückischer und gefährlicher als das Lügen. Denn Leute mit dieser Einstellung bestreiten grundsätzlich, dass es so etwas wie Wahrheit überhaupt geben kann. Sie haben ein Problem mit der objektiven Realität, mit der Anerkennung von Tatsachen, mit der sinnvollen Unterscheidung von Wahr und Falsch ganz allgemein. Ihnen fehlt eine wesentliche Orientierung fürs Leben. Und je größer der Einfluss solcher öffentlichen Redner ist, desto mehr Menschen ziehen sie mit in den Strudel ihrer ganz persönlichen Unsicherheit.
Ich weiß nicht, ob Musiker dafür eine besondere Antenne haben. Aber ich finde es schon interessant, dass sich 1977 eine österreichische Rockband „Die erste allgemeine Verunsicherung“ nannte. Könnte es sein, dass diese Band bis heute zu den Erfolgreichsten im deutschen Sprachraum gehört, weil sie sich mit Millionen von Verunsicherten solidarisiert? Weil sie das weit verbreitete Gefühl aufgreift, die Menschen würden ganz allgemein immer mehr belogen, getäuscht, verunsichert und abgezockt?
Dabei gibt es unbestrittene Wahrheiten, auch wenn man an keine göttliche Offenbarung glaubt und der Wissenschaft misstraut. Niemand bezweifelt ernsthaft, dass sein Name oder seine Adresse richtig sind und dass er die Wahrheit sagt, wenn er sie nennt. Falschaussagen bei so simplen Dingen vor Gericht oder vor der Polizei sind sogar strafbar. Selbst diejenigen, die eine objektive Wirklichkeit oder Wahrheit leugnen und bestreiten, man könne gültig zwischen Wahr und Falsch unterscheiden, kommen nicht ohne Wahrheit aus. Ohne rot zu werden argumentieren sie damit, dass sie diese Position in Wahrheit vertreten. Sie behaupten, sie sagen die Wahrheit, wenn sie sagen, es gebe keine. Dämlicher geht´s eigentlich nicht.

Man sollte meinen, diese Leute haben ein gewaltiges „Vermittlungsproblem“ mit ihren sonderbaren Wahrheiten. Und doch laufen diesen Schwätzern, die alles für wahr und falsch zugleich erklären, immer mehr Menschen nach. Das ist für die anderen gefährlich. Denn dadurch fallen viele Barrieren gegen Betrügereien aller Art – noch mehr, als durch brutale Verteilungskämpfe in schwierigen Zeiten ohnehin fallen. Glaubwürdig ist öffentliches Reden eben nur, wenn es zu den Taten der Redner passt. Sonst haben sie eben ein „Vermittlungsproblem“.

Sprach-Ehrlichkeit 3: Schönreden

Unfrisierte Gedanken zu einer besonders verbreiteten Art der Unehrlichkeit

Vor einiger Zeit hielt ich ein Reportage-Seminar an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, und eine der Studentinnen porträtierte als Seminararbeit eine Putzfrau. Die nennt man inzwischen „Raumpflegerin“ oder „Hygienetechnikerin“, aber das ändert nichts an den traurigen Tatsachen: Ihr Job bleibt schmutzig und mit sieben EURO die Stunde schlecht bezahlt. „Putzfrau“ ist kein Beruf mit einem tollen Image. Aber auch wenn das Schönreden etwas daran ändern könnte, würde sich doch nur das Image ändern, nicht die Arbeit dieser Frau und nicht die Geringschätzung ihrer Dienste. Für viele sind die „Putzgeschwader“ meistens nur lästig.

Schönschwätzer aus Politik und Interessenvertretungen gibt es schon lange, aber seit einiger Zeit scheinen sie Hochkonjunktur zu haben. Immer wieder setzen sie Begriffe in die Welt, die hässliche Tatsachen in einem schöneren Licht erscheinen lassen: „Nullwachstum“ statt Stillstand, „Freisetzung“ statt Entlassung, „Agentur für Arbeit“ statt des frust- und angstbesetzten Wortes „Arbeitsamt“, „Flexibilität“ für die freizeitfressende, kräftezehrende und beziehungsfeindliche Existenz unfreiwilliger Jobnomaden oder Pendler: Das ist doch alles bloß verbale Kosmetik an einer unguten Realität. Auch „Preissteigerung“ klingt wesentlich besser als die gute alte Inflation oder Geldentwertung. Da ist doch immerhin der Begriff „Steigerung“ drin, und das klingt positiv – auch wenn Flutopfer einen steigenden Wasserspiegel gar nicht gut finden. Für mich sind das sprachliche Sünden gegen die Ehrlichkeit, also eigentlich Lügen.

Aber Vorsicht, Glatteis: Sünde ist ja nicht gleich Sünde. Früher war diese Bezeichnung allein den Verstößen gegen göttliche Gebote vorbehalten. Sie wissen schon: Die zehn Gebote, die Moses vom Berg Sinai mitbrachte. Aber längst sind auch „Verkehrssünder“ gang und gäbe für Leute wie Sie und mich, die schon mal einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen. Wie schon der Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch sang: „Wir sind alle kleine Sünderlein“. Gemeint hat er, und darum war er so erfolgreich: Wir sind alle Sünder, aber nur ein bisschen. Im Grunde sind wir ja ganz ok, Vollkommenheit wäre übermenschlich. Da hat er Recht. Diese Einstellung ist gut für den Humor, mit dem sich unangenehme und schlimme Dinge besser ertragen lassen.

Aber die Islamkonferenz bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Berlin ist kein Karneval. Und schon gar nicht ist diese Konferenz zur schwierigen Integration muslimischer Mitbürger eine Hochburg rheinischen Humors. Warum berichtet der Minister aber dann, man habe da „ein bisschen Tacheles geredet“? Was ist das, „ein bisschen Tacheles“? Bestenfalls doch zum Schmunzeln, wie seinerzeit der Refrain des Schlagers „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe“. Freundliche Augenwischerei eben.
Augenwischerei ist aber oft weder lustig noch augenzwinkernd freundlich. Verstehen manche Zeitgenossen derzeit unter „Nichtraucherschutz“ nicht eher eine handfeste Diskriminierung der Raucher? Man verbannt sie nicht nur aus Restaurants, sondern auch aus Kneipen und selbst bei Kälte und Nässe auf die Straße. Raucherzimmer? – Fehlanzeige. Rauchende Abgeordnete sollen sich im Parlament in einem Glaskasten vorführen lassen. Raucherabteile in Zügen werden abgeschafft. Folgendes erlebte eine Kollegin in einem der letzten Raucherabteile der Deutschen Bahn:
„Iiiih, Mama, guck mal, da sitzt eine Mörderin“, sagt das kleine Mädchen, das mit seiner Mutter durch die Gänge des Zuges spaziert, vor dem geschlossenen Raucherabteil stehen bleibt und mit seinen süßen Patschhändchen durch die Glastür deutet: auf mich und auf meine Zigarette. Wohlwollend nickt die Mama ihrem Töchterchen zu, dann wirft sein einen Blick auf mich, der töten würde, wenn er nur könnte. So wird aus Schönrednerei offene Diffamierung. Was da mit dem Schlagwort „Nichtraucherschutz“ schöngeredet wird, ist schon eine regelrechte Hexenjagd. Geht man so mit zahlender Kundschaft um, mit steuerzahlenden wahlberechtigten Bürgern? [Wenn Ihnen das zu viel Rauch ist, gäb´s eine Alternative: Wer hat nicht gelächelt, als die BILD-Zeitung nach der Wahl von Kardinal Ratzinger zum Papst titelte: „Wir sind Papst“? Es geht auch eine Nummer kleiner mit dieser Form der Angeberei, die ja auch den grauen Alltag etwas schön redet. Als der VfB Stuttgart im Mai deutscher Fußballmeister wurde, stand in der Stuttgarter Zeitung: „Wir sind Meister“. Und zu einem der Bilder, die jubelnde Fans zeigten, schrieb ein übereifriger Lokalpatriot: „So sehen Sieger aus“. Ich dacht, die Fußballer hätten gewonnen. Aber ich will kein Spielverderber sein.]
Ernst Elitz, Intendant des Deutschlandfunks, machte kürzlich in „SONNTAG AKTUELL“ eine bemerkenswerte Entdeckung: „Wenn jede Banalität zur Kultur erklärt wird, kann Kultur nichts mehr wert sein“, schrieb er. Abschreckende Beispiele fand er in verbreiteten Wörtern wie „Gewalt-Kultur“, „Esskultur“, „Körperkultur“, „Haftkultur“ (ja, so nennen manche Leute unseren humanen Strafvollzug) oder „Verwaltungskultur“. Na ja, jedem das seine. Wer sich kulturell mit solchem Käse begnügt, muss es schwer nötig haben.
Auf Schönfärberei zu verzichten, würde bedeuten, unangenehme Dinge auszuhalten und offen auszusprechen. Ich meine, damit käme man der Wahrheit und der ehrlichen Lösung echter Probleme in unserem Land ein wenig näher. Es ist nicht gerade ein Zeichen von Respekt vor den Mitmenschen, wenn man sie manipuliert und dumm schwätzt.

Öffentliche Sprach-Ehrlichkeit 2: Sprachregelungen

Unfrisierte Gedanken zu einer verbreiteten Anmaßung

Gerade rechtzeitig zum 1. Mai verkündete der sozialdemokratische Arbeitsminister Franz Müntefering eine kleine Sensation: die Bundesagentur für Arbeit hatte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder fast eine Million offener Stellen gemeldet. Eine magische Zahl. Aber was der Minister unter einem Stellenangebot versteht, ist nicht für alle ein Stellenangebot. Knapp ein Drittel der Jobs hatte der Computer aus den Internet-Seiten von Firmen gefischt, wo sie vielleicht nur als interne Stellenausschreibungen standen. Tatsächlich zur Vermittlung gemeldet waren also nur zwei Drittel der Angebote. Und von denen wiederum die Hälfte waren keine normalen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, sondern wurden aus Steuermitteln zusätzlich gefördert. Kurz: Aushilfen, 400-EURO-Jobs, 1-EURO-Jobs und dergleichen.

Die Erfolgsmeldung besteht zu zwei Dritteln aus PR. Was ein Stellenangebot ist, bestimmt im öffentlichen Sprachgebrauch der Arbeitsminister. Er beansprucht die Deutungshoheit für den Begriff und kratzt dabei alles zusammen, was statistisch den Erfolg seiner Arbeit untermauert. Ein faires oder gar ein gutes Angebot ist nicht dasselbe wie ein Angebot, klar? Was aus der Sicht dessen, der eine Arbeit sucht, von der man leben kann, ein Stellenangebot ist, spielt keine Rolle. Der öffentliche Raum ist voll von solchen Sprachregelungen. Und die lassen es meines Erachtens sehr an Ehrlichkeit fehlen. So schön es ist, wenn wieder mehr Menschen in Deutschland erwerbstätig sind, so hässlich finde ich die maßlose Übertreibung, als die sich das Ganze bei näherem Hinsehen entpuppt.

Ein anders Beispiel, damit nicht der Eindruck entsteht, ich hacke hier immer nur auf der SPD oder sozialen Problemen herum: Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und bekanntlich Christdemokrat, hielt im April eine Rede am Sarg seines verstorbenen Vor-Vor-Vorgängers Hans Filbinger in Freiburg. Filbinger hatte 1978 zurücktreten müssen, weil seine Mitwirkung an Todesurteilen gegen Deserteure im Zweiten Weltkrieg bekannt wurde. Statt etwas zu bedauern, hatte Filbinger uneinsichtig erklärt: „Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein“. Dieser Landespolitiker war sein parteipolitischer Ziehvater, und den wollte er mit guten Gefühlen verabschieden. Und so nannte er ihn einen „Gegner des Nationalsozialismus“.
Nur Historiker sollten die Frage beantworten, ob Filbinger ein Nationalsozialist war oder nicht. Gegner machten die Nazis jedenfalls in der Regel nicht zu Marinerichtern, sondern einen Kopf kürzer. Aber nicht einmal darum geht es hier. Ministerpräsident Oettinger musste sich nach heftiger Kritik auch in der eigenen Partei von den umstrittenen Aussagen über Hans Filbinger distanzieren und tat dies auch. Er rettete seinen Kopf, aber er tat nichts gegen die „guten Gefühle“, die er anscheinend immer noch mit seinem historischen Vorbild verbindet.

Viel schlimmer aber ist aus meiner Sicht, dass hier ein mächtiger Politiker versucht hat, mit Halb- oder Unwahrheiten das Bild der Geschichte zu verändern. Er wollte Macht auch über die Köpfe und das Denken seiner Mitbürger. Deshalb haben sie ihm den Kopf zurecht gerückt. Das hat dieses Mal funktioniert. Aber solche Versuche der Geschichtsklitterung gibt es immer wieder – von allen Seiten. Dass Oettingers Redenschreiber jetzt im Landwirtschaftsministerium arbeitet, wird daran nichts ändern. Dass Gerhard Schröder in seinen letzten Monaten als Bundeskanzler noch den ehemaligen KGB-Chef Wladimir Putin als einen „lupenreinen Demokraten“ bezeichnet hat, war auch so ein Vorschreiber-Stück. Sprachregelungen dieser Art werden entweder übernommen oder nicht. Manchmal lässt sie auch jemand wie einen Versuchsballon steigen und wartet ab, ob sie sich mehr oder weniger geräuschlos durchsetzen.

Mit das Schlimmste, was einem sprachlich und philosophisch sensiblen Menschen passieren kann, der auch noch großen Respekt vor Religionen hat, ist eine Sprachregelung aus der Welt des Islam: Der so genannte „Heilige Krieg“ ist nicht nur ein unerträglicher Euphemismus und eine problematische Übersetzung aus dem Arabischen. Ein „heiliger Krieg“ ist auch ein Widerspruch in sich selbst – sozusagen eine Kriegserklärung an alles, was uns oder den Muslimen heilig ist. Es ist eine Sprachregelung, die ins Klischee vom Krieg der Kulturen passt, die Verständigung schwer macht, wenn nicht unmöglich, und die sich bereits durchgesetzt hat im öffentlichen Sprachgebrauch. Ein echter sprachlicher Supergau. Das Wort „Dschihad“ bedeutet zunächst einmal "Anstrengung", und die Definition dieses aktiven "Kampfes" gegen das Böse ist auch unter Muslimen absolut umstritten. Die Unehrlichkeit im Sprachgebrauch liegt darin, mit Floskeln wie "heiliger Krieg" Klarheit vorzutäuschen, wo keine ist. Angesichts dieser unheiligen Allianz der Worte sollten Christen und Muslime gemeinsam protestieren.

Anmaßende Sprachregelungen oder Ansprüche auf die Deutungshoheit über Geschichte, Philosophie, Moral oder Religion sind überall, nicht nur in der Politik. Fast jeder Handwerkerverband und Hühnerzüchterverein hat heute seine Sprachregelungen, ganz zu schweigen von religiösen oder wirtschaftlichen Interessenvertretern. Kein Mensch kann diese Ansprüche verhindern. Aber hören muss man nun wirklich nicht darauf.

Dienstag, 22. Mai 2007

Öffentliche Sprachehrlichkeit 1: Wörter verbieten

Unzensierte Vorabversion einiger unfrisierter Gedanken

Im letzten Winter gab es mächtig Streit im Blätterwald, als eine Studie den Zusammenhang von fehlender Bildung und Armut untersuchte und in diesem Zusammenhang von einer neuen „Unterschicht“ sprach. Das Wort diskriminiere die Betroffenen, meinten die einen. Eine Unterschicht gebe es bei uns nicht mehr, meinten andere. Es dürfe keine geben, meinten wieder andere. Dass nicht sein kann, was nicht sein darf, meinte Vizekanzler Franz Müntefering. Er forderte im Fernsehen, man möge doch bitteschön das Wort „Unterschicht“ nicht verwenden. Es ist Mode geworden, zu glauben, so ließen sich Probleme lösen. [Oder ist es nur Mode geworden, anderen einzureden, so ließen sich Probleme lösen?] Was diskriminiert denn eigentlich: dass jemand zur Unterschicht gehört oder dass man diese Tatsache beim Namen nennt?

Ich erinnere mich noch gut an die ziemlich hilflosen Versuche meiner Eltern, uns Kindern „schmutzige Wörter“ zu verbieten. Aber trotzdem haben ordinäre Ausdrücke aus der Fäkal- und Sexualsprache über den Jargon der Jugendlichen und die Medien schon längst den Weg bis in die so genannte „hohe Literatur“ geschafft. Dass sich dabei Bedeutungen grotesk verschieben können, zeigt zum Beispiel der umstrittene Werbespruch „Geiz ist geil“: Bisher musste ich bei dem Wort „Geiz“ eher an etwas Verkümmertes, Verschrumpeltes denken. Und das Wort „geil“ hatte etwas Unanständiges, aber dennoch Pralles an sich als Bezeichnung für sexuelle Begierde. Doch wer dem Bedeutungspfad folgt, den dieser Werbespruch durch unsere Sprachkultur trampelt, findet Geiz einfach nur schön. Dabei gilt er in 2000 Jahre lang gewachsenen Moralvorstellungen als krasse Untugend. Und wie man sieht, hat es nicht viel genutzt, den Geiz oder das Wort „geil“ zu verbieten. Auch wenn es für mich nach wie vor in Kindermund abartig klingt.

Ich erinnere mich auch noch gut an eine Betriebsversammlung der Rentenversicherungsanstalt Baden-Württemberg im Jahr 1992, als die Verschwendung von Beitragsgeldern öffentlich diskutiert wurde. Da ergriff die Betriebsratsvorsitzende das Wort, eine gestandene Gewerkschafterin, und forderte, man müsse jetzt erst einmal die Presse an die Kandare nehmen. Wer es sich mit den Gewerkschaften nicht verderben wollte, schwieg in dieser peinlichen Sache besser. Öffentliche Redeverbote sind also nicht nur in Diktaturen ein beliebtes Mittel der Einschüchterung. Einschüchterung aber löst keine Probleme. Wir betrachten das Tabu als Merkmal primitiver Gesellschaften, als unzulässige Vermengung von Aberglaube und Moral. Das polynesische Wort Tabu meint etwas Heiliges, Unantastbares, das man oft nicht einmal aussprechen darf. Es zu verletzen, gilt als Frevel und wird streng bestraft, um durch übernatürliche Mächte bewirktes Unheil abzuwenden. Und obwohl in modernen Gesellschaften sehr natürliche Mächte am Werk sind, hätten die oft gern Verhaltensnormen, die funktionieren wie Tabus. Denn dann muss man Verbote nicht in lästigen Diskussionen begründen und kann Andersdenkende mundtot machen.
Verbote sind nicht nur in primitiven Gesellschaften oder Diktaturen sehr verlockend. Wir bekommen ein Problem mit Appellen allein nicht in den Griff? – Dann helfen nur noch Verbote! Emissionsverbote gegen Ozonloch und Klimawandel, Fahrverbote gegen krank machende Luftverschmutzung in den Städten, Rauchverbote zum Schutz der Nichtraucher, Alkoholverbote gegen das schlimme „Flatrate-Trinken“ bei Jugendlichen: Wenn Politiker Verbote fordern, wollen sie den Eindruck erwecken, sie kümmerten sich um das Problem. Dabei suchen sie oft nur hilflos einen Sündenbock, dem dann alle die Schuld in die Schuhe schieben. Manche selbst ernannten Hüter der politischen Korrektheit möchte ich gern fragen, ob sie wirklich alle Verbote für Kinder abschaffen und den Erwachsenen immer mehr verbieten wollen. Vor allem erschreckt mich eines: In der angeblich so konservativen und restaurativen Adenauer-Ära der 50er Jahre gab es viel weniger Rufe nach Verboten als heute! Wie aufgeklärt, wie liberal, wie tolerant sind wir tatsächlich?
Das Verbietenwollen treibt seltsame Blüten: Da will McDonalds das Wort „McJob“ verbieten lassen, as in Großbritannien zum Synonym für Billigjobs geworden ist. Oder Martin Walser will allen Ernstes ein kritisches Denkmal seiner Person verhüllen lassen, weil ihm der Künstler Peter Lenk zu wenig ehrerbietig ist. Und der Stadtrat versucht diese peinliche Begleitmusik zu einer Ausstellung zum 80. Geburtstag des kritischen Dichters vom Bodensee auch noch monatelang zu vertuschen.
Ich plädiere für mehr Ehrlichkeit in der Sprache, vor allem in der öffentlichen Sprache. Wörter verbieten zu wollen oder überhaupt Verbote zu fordern, ist meistens Drückebergerei. Denn dahinter versteckt sich gern etwas ganz anderes: Man weicht der mühsamen Arbeit aus, eine Aufgabe wirklich zu lösen. Oder man hat einfach Unrecht und will es nicht zugeben. Zu viele öffentliche Sprecher fürchten Widerworte, denn sie könnten ja ihr Gesicht verlieren – und damit vielleicht die nächste Wahl und ihren Job.
Bei der Redefreiheit fängt doch unsere ganze so genannte bürgerliche Freiheit an – und da hört sie auch auf. Erst Recht bei Abgeordneten. Das hat aber Stefan Mappus, den Fraktionschef der CDU im Stuttgarter Landtag, nicht daran gehindert vor dem Landgericht Karlsruhe gegen einen SPD-Abgeordneten auf Unterlassung kritischer Äußerungen zu klagen. Doch wer Kritik unterdrückt, anstatt sich damit auseinander zu setzen, zeigt nicht Stärke, sondern Unsicherheit und Schwäche.

Endlich wieder schreiben!

Mein erster Tag für die Philosophie seit Wochen - und dann auch noch ein bezahlter! Ich habe gestern nicht viel mehr als die Durchsicht meiner Stoffsammlung zum Thema "Sprachsünden gegen die Ehrlichkeit" geschafft, weil mich dauernd Kollegen mit verspäteten Korrekturwünschen für die SWR2-Zeitschrift nervten, die ich gerade redigiere.
Heute ist es aber weitgehend geschafft. Ich warte auf die Layouts. Und nach einer dramatischen Amselrettung vor unserer schönen Räuberin mit den blauen Augen konnte ich anfangen. Whoopy (oder Woopi? - benannt nach Goldberg, weil sie ständig ein freches Grinsen zur Schau trägt) ist eine kleine, aber instinktsichere und blitzflinke Siamkätzin von knapp zwei Jahren. Na ja, und die hat heute, als ich den Frühstückstisch im Garten deckte, eine halbstarke Amsel bei Flugübungen geschnappt. Ich konnte den Vogel retten und die Katze ausreichend loben, musste aber zur Konzentration auf die bevorstehende Arbeit eine Zigarette rauchen. Na, das passt! Sehen Sie selbst...

Samstag, 19. Mai 2007

Chaos-Tage im Mai

Während die Welt auf den G-8-Gipfel in Heiligendamm wartet und die Sicherheitsfreaks immer mehr wie Wladimir Putin denken, habe ich kaum Zeit für Schöngeistiges. Ich hatte wollte gerade Urlaub machen und hatte gerade angefangen, meine Steuererklärung zu machen, da bekam ich das Angebot meines sonst eher knickrigen Senders, kommissarisch (wohl auf Bewährung) für die vierteljährliche Zeitschrift des SWR2 RadioClubs zu übernehmen. Ein Angebot, das man als freier Autor nicht ablehnen kann, selbst wenn man für einen ARD-Sender arbeitet. Einem Kollegen, der Vaterschaftsurlaub nimmt, sei´s gedankt - damit komme ich zumindest vorübergehend auf 12 Arbeitstage in zwei Monaten mehr. Bisher lebe ich von 8 solcher redaktionellen Arbeitstage plus Autorenaufträge, die ich an Land ziehe. Da muss die nächste Rezension über die Muslimbruderschaften liegen bleiben.
Dummerweise habe ich einen solchen Auftrag auch noch bis zum 11. Juni zu erledigen, die Steuer muss schon bis Monatsende fertig sein und die Zeitschrift frisst mich gerade auf. Und das, obwohl ich gerade offiziell Urlaub habe. Ja: Für "feste freie" Mitarbeiter des öffentlich rechtlichen Rundfunks der ARD gibt es einen Urlaubsanspruch, und den versuche ich zu nutzen, weil, die kreative Selbstausbeutung gesundheitliche Grenzen hat. Aber wann ich mal fünf grade sein lassen kann in diesen chaotischen Maitagen, wissen die Götter, ich weiß es nicht. So kann man eben verfolgen, wie Schreiben funktioniert, wenn es überhaupt funktioniert in einem Land, wo Kulturmanager besser leben als kulturelle Urheber.
Das Autorenleben geht weiter - irgendwie. Ich werde Bescheid geben, wenn der kreative Teil wieder an der Reihe ist. Jetzt laufe ich säumigen Artikelschreibern hinterher, organisiere Fotos, streite mit eitlen Kollegen, die ihre Weisheiten nicht kürzen lassen wollen, obwohl das Layout überfließt. Mache halt den üblichen Redakteursjob. Bis heute Abend. Da sind wir bei Freunden eingeladen, und da will ich hin. Morgen mache ich vielleicht die Steuer fertig - oder sie macht mich fertig. Ab Montag will ich mich jedenfalls auf ein Manuskript konzentrieren. Deshalb wird´s noch ein wenig dauern, bis wieder Neues von mir zu lesen ist. Aber auch dies ist gewiss: Es wird Neues geben, und wenn es nur neue Überraschungen sind.